top of page

Frühlings Erwachen! (Live Fast – Die Young)

Nuran David Calis/ nach Frank Wedekind

Hans-Otto-Theater Potsdam

Premiere: 11.12.2014

 

Bühne:   Andreas Rehschuh  

Kostüme: Grit Walther

Koproduktion mit der Filmuniversität »Konrad Wolf« Potsdam-Babelsberg. Studioinszenierung des 3. Studienjahrs Schauspiel

mit:

Lilli Meinhardt, Teresa Schergaut, Marie Luise Stahl; Davide Brizzi, Yannick Fischer, Filip Grujic, Christopher Reinhardt

Presse:

 

"Frühlings Erwachen" am HOT

Stück von Nuran David Calis nach Frank Wedekind

 

"Vom Original sind eigentlich nur das Grundmotiv, die Figuren, einige Sätze und die offene Form geblieben. Zum Glück, denn Frank Wedekinds Skandalstück „Frühlings Erwachen“, das im wilhelminischen Deutschland 15 Jahre auf Eis lag, ehe es dann 1906 uraufgeführt wurde, brach Tabus, die heute keine mehr sind. Seine Schilderung aufkeimender Sexualität galt als zu obszön, aber mit Wedekinds sprachlichen Wendungen lässt sich heute auch kaum noch direkt ein jugendliches Herz treffen.

Der 39-jährige Bielefelder Nuran David Calis hat den Stoff  2007 ins Rap-Zeitalter gebeamt.Und seine Dialoge, so sehr sie auch von modischer Jugendsprache durchsetzt sind...haben in der Inszenierung von Andreas Rehschuh an Unmittelbarkeit nichts verloren

 

Für eine besondere Nähe zu den Teenagern von heute sorgen die sieben jungen Darsteller, allesamt Schauspielstudenten der Filmuniversität Babelsberg. Sie führen den Umgang einer Clique authentisch und unaufgesetzt vor..."

 

"...Die zarte, energische Lilli Meinhardt verleiht dem Mädchen in der Reithalle des Potsdamer Hans-Otto-Theaters nicht die Züge eines Opfers, denn sie gewinnt nach anfänglichem Weltschmerz zusehends an Selbstvertrauen. Diese Wendla lässt sich nicht einmal von ihrer hysterischen Mutter (Teresa Schergaut) und auch nicht von dem herzlosen Melchior, dem Vater des Kindes, im Innersten erschüttern.

 

Als tragische Figur ist allein der strebsame Moritz (Davide Brizzi) angelegt, dessen Selbstmord den Mitschülern schwer zusetzt.  Die drei Mädchen und vier Jungen treffen sich auf dem Dach in einer Großstadt. Das signifikante Bühnenbild ließ sich ebenfalls der Regisseur einfallen, der mit den jungen Schauspielern intensiv gearbeitet hat. Herausgekommen ist eine kraftvolle, homogene Inszenierung. Manchmal wünschte man sich, noch tiefer in die einzelnen verlorenen Seelen schauen zu können. Aber ruhige Momente gibt es. Und die Überdrehtheit der Jugendlichen und ihre Rituale werden mitreißend dargestellt."

 

Karim Saab

Märkische Allgemeine Zeitung

 

Freie pubertierende Radikale

„Frühlings Erwachen“ in der Adaption von Nuran David Calis hatte Premiere am Hans Otto Theater

 

"'Wenn du jetzt gehst, kehrt der Zweifel zurück. Und der Zweifel bringt mich um.' Das sagt Wendla, bevor Melchior davonzieht, was sie dazu bringen wird, sich eine Flasche in den Bauch zu rammen, um ihre Schwangerschaft auszulöschen. Das Embryo zu töten. Leben zu vernichten. Dabei ging es genau darum, in dieses Leben aufzubrechen. Es zu verstehen. Seine Rolle zu finden. Vielleicht eine Identität zu haben. Möglicherweise sogar glücklich zu werden.

 

Doch der überstrapazierte Glücksbegriff taucht in „Frühlings Erwachen (Live Fast – Die Young)“, dem neuen Stück am Hans Otto Theater, inszeniert von Andreas Rehschuh, nicht einmal auf. Liebe wäre vielleicht das utopische Modul, um den psychosozialen, quasi sexualpathologischen Zerwürfnissen zu entkommen. Oder besser ihnen angemessen zu begegnen. Doch es bleibt ein kulturpolitisches Desaster, bei dem man nicht weiß, wen man mehr bedauern soll, die jugendlichen, suizidalen (Schein-)Rebellen oder je nach den bemühten oder weniger bemühten Eltern respektive die Gesellschaft."

 

"...Sind die Nöte heutiger Pubertierender dringender als zu Wedekinds Zeiten? Sind sie aussichtsreicher? Ist das verbale und gestische Miteinander unter Jugendlichen brutaler, desillusionierter geworden? Eigentlich sollte es anders sein. Bei all dem Konsum, den Bildungsmöglichkeiten, dem Spaß, kurz: Bei allem, was diese Nachkriegsgesellschaft zu bieten hat, sollten deren Kinder glücklich sein.

 

Sind sie aber nicht. Verunsichert, teils depressiv, unter Leistungsdruck stehend, retten sie sich in selbstverordnete, nietzscheanische Propaganda: Ich muss noch mehr lernen, den Notenspiegel verbessern, was ich tue, ist zu wenig. Sie träumen scherzhaft von Hunger und Armut und fragen sich angesichts menschlicher Regungen, ob Scham angeboren ist. Sie bezweifeln die Wirkung von Hilfsorganisationen, vollziehen sinnlose Mutproben und sind heillos in die zynisch-sarkastische Version ihres Selbst und ihrer Umgebung verstrickt. Das oftmals grausame Spiel mit den neuen sozialen Medien, das zu Mobbing, Erpressung und Entblößung führt, bildet die Plattform für alles Geschehen...." 

 

"...Und so macht es großen Spaß, den Schauspielstudenten von der Filmuniversität Babelsberg bei ihren Prozessen des Leidens, der Verzweiflung und des sporadisch aufkeimenden Hoffens zuzuschauen..."

 

"...Andreas Rehschuh, neben der Regiearbeit auch für die Bühne verantwortlich, setzt das dezent wie dringlich in Szene. Videoprojektionen mit identitätsauflösenden Doppelbildern und Deutsch-Hip-Hop rücken die freien, pubertierenden Radikalen in die unmittelbare Gegenwart..."
 
"...Am Ende kehren alle Fragen wieder. Moritz ist vom Dach gesprungen. Tot. Wendla, zumindest in der Originalfassung nach einer Fremdabtreibung und hier nur zu vermuten, auch tot. Melchior hat naiv wie überheblich seine Vaterschaft abgelehnt. Die Liebesangebote sind nicht in Erfüllung gegangen. Die Verwirrungen, was in diesem Leben zu erwarten ist, erscheinen groß. Hypertroph..."

 

Ralph Findeisen

Potsdamer Neueste Nachrichten

 

Besser geht’s nicht!

Peter Claus über das aktuelle Angebot des Hans Otto Theaters Potsdam

 

"...Tobias Wellemeyer und sein Team, seit 2009 in Potsdam am Werk, punkten diesbezüglich...mit einigen durchaus waghalsigen Unternehmungen, die nicht auf gedankenlosen Konsum ausgerichtet sind. Bravo!

Derzeit gilt es, gleich mehrere der Novitäten anzupreisen. Jüngste Offerte in der Reithalle: 'Frühlings Erwachen (Live Fast – Die Young)'..."

 

"...Regie geführt hat Andreas Rehschuh, der schon mehrfach in Potsdam inszeniert hat,...„Der Widerspenstigen Zähmung“ mit wunderbar leichtfüßiger Phantasie. Clou seiner neuesten Arbeit: es spielen ausschließlich Studenten des 3. Studienjahres Schauspiel der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“.

 

Rehschuh hat den Abend ganz auf sie abgestellt, lässt jede und jeden Können zeigen, die Talente zur Entfaltung kommen. Das ist rotzig und frech und mutet verblüffend authentisch an, und – der Kritiker, der den Stoff schon in -x Varianten in noch mehr Aufführungen gesehen und sich dabei schon oft arg gelangweilt hat, staunt – die Aufführung ist derart emotionsgeladen, dass einem Tränen in die Augen schießen. Die aber schwemmen den Gedankenreichtum nicht weg. Man geht aus dem Theater und diskutiert das Thema „Schwierigkeit des Erwachsenwerdens“ mit Vehemenz. Dazu freut man sich, einige junge Akteure gesehen zu haben, die das Zeug zu Schauspielern haben... 

 

"...Kurzum also: Wer gutes Theater genießen möchte, fahre nach Potsdam!"

 

Peter Claus

www.getidan.de

© HL Böhme / G. Walther

bottom of page